Fünf Jahre Frauentreff

Seit knapp fünf Jahren gibt es die interkulturelle/interreligiöse Gruppe „Freistädter Frauentreff“. Sie ist entstanden, weil Frauen der Aufnahmegesellschaft und zugewanderte Frauen bzw. Frauen, die unterschiedlichen Religionen angehören (Islam und Christentum), einander begegnen wollten. Ich selber bin im ersten Jahr zur Gruppe gestoßen und habe die Entwicklung der Gruppe, die ich auch mit gestaltet habe, nahe miterlebt.

Nun drängt es mich, ein Resümee zu ziehen. Was ist aus der gegenseitigen Neugierde füreinander geworden? Welche Art des Miteinanders und des Verständnisses füreinander hat sich entwickelt?

Die Räumlichkeiten, in denen wir uns einmal im Monat treffen, und die sich im Lauf der Zeit verändert haben, können manches der Entwicklung widerspiegeln. Häufig war es das katholische Pfarrheim, manchmal das Integrationsbüro, und immer wieder die Moschee.

Um die geht es mir in diesem Beitrag. Das neue muslimische Gemeindezentrum, das uns nach einer Renovierungsphase für unsere Treffen abwechselnd mit den anderen Orten zur Verfügung stand, war groß, geräumig und bot uns genau den Rahmen, den wir brauchten um uns wohl zu fühlen. Wir hatten genug Platz, um zwischendurch eine Bewegungsaktivität zu machen, z.B. einen Kreistanz, und konnten uns dann wieder in der Runde zusammen setzen. Klingelte bei einer Frau das Handy, so konnte sie sich leicht zurückziehen und telefonieren, ohne die Gruppe zu stören. Allerdings war an dem Abend, an denen wir Frauen in der Moschee waren, wegen der im Islam üblichen Geschlechtertrennung der Zutritt für Männer nicht möglich. Das änderte sich aber. Die Renovierungsarbeiten waren vorangeschritten und eines Abends warteten Frauen, um uns beim Nebeneingang in das Gemeindezentrum und gleich die Treppe rauf zu führen. Im Obergeschoß durften wir einen kleinen Raum mit kleinen Oberlicht-Fenstern nutzen. Darin war nur Platz für den Tisch in der Mitte und die Sessel rundherum. Wir klebten mit den Rücken an der Wand und hatten alle Bewegungsfreiheit verloren. Das beeinflusste unser Zusammensein. Frustrierend war auch das Bewusstsein, dass die schlechteren Räumlichkeiten den Frauen und Mädchen vorbehalten sind. Den großen Raum hatten wir nur vorläufig nutzen können, solange die Frauenräume noch nicht fertig waren. Für die muslimischen Freundinnen ist diese Raum-Regelung ganz selbstverständlich.

Ich fühle eine Entfremdung bzw. nehme desillusioniert zur Kenntnis, dass alle Annäherung vielleicht nur in unserer Phantasie stattgefunden hat. Die Prägungen was Frauen dürfen, was ihnen zusteht, sind tief. Da finden wir wohl leider nicht zusammen …

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Universität: Weiter wursteln

„ StudentInnen klagen, dass sie manchmal monatelang auf Prüfungsergebnisse warten, und wenn sie endlich da sind, erfahren sie eine Ziffer zwischen 1 bis 5, aber keine Begründung, keine inhaltliche Rückmeldung dazu.“ (Vom Wursteln  Presse Spektrum, 27.2.2010) Solche und andere Unzulänglichkeiten wie E-Mails, die von Lehrenden nicht beantwortet werden, schlampige und missverständliche Aufgabenstellungen, mangelnde persönliche Gesprächsmöglichkeiten zwischen Lehrenden und Studierenden, mindern die Qualität des Lehrens und Lernens an den Universitäten. Sie werden unter anderem mit einem unzumutbar niedrigen Betreuungsschlüssel zwischen Lehrenden und Studierenden (in manchen Studienrichtungen bis zu 1:300) begründet. Die Politik argumentiert gern, dass ein besserer Betreuungsschlüssel und insgesamt mehr Qualität  durch einen kontrollierten Zugang zu den Unis – Nummerus Clausus oder Aufnahme-Tests – und durch Studiengebühren gewährleistet werden könnte. Die neue Wissenschaftsministerin bläst in dieses Horn.

Ich möchte ihr und allen, die wie sie denken, vom Studiengang „Master of Arts in Intercultural Studies“ erzählen. Wir sind eine handverlesene Gruppe von 12 Studierenden. Unsere Studiengangsgebühr beträgt pro Semester €2100,00. Das Betreuungsverhältnis durch die Lehrenden beträgt 1:6. Trotzdem sind die beschriebenen Unzulänglichkeiten bzw. Unzumutbarkeiten auch bei uns zu finden. Wie können die Verantwortlichen das bloß erklären?

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Kultursensible Pflege anhand eines konkreten Beispiels

Ein junger türkischer Mann muslimischen Glaubens wurde verletzt nach einem Arbeitsunfall in einem Unfallkrankenhaus als Patient aufgenommen. Auf der Station musste er von der Transportliege in ein Bett transferiert werden. Das gestaltete sich sehr schwierig, da der Mann ununterbrochen stöhnte. Man wusste nicht, wo man ihn angreifen konnte, ohne ihm weh zu tun. Eine größere Verwandtschaft, die auf türkisch mit dem Mann redete, erschwerte eine Ziel führende Kommunikation und konzentriertes Arbeiten.

Die Lösung dieser schwierigen Situation war nicht nur, kompetent beim Transfer zu unterstützen (AEDL Sich Bewegen). Die Pflegenden bemühten sich, mit ihm in Dialog zu treten (AEDL Kommunizieren). Sie waren bestrebt, seine  Schmerzäußerungen zu verstehen und zu beachten (AEDL Existenzielle Erfahrungen des Lebens). Die Stationsschwester übernahm die Angehörigenarbeit (AEDL Soziale Bereiche des Lebens sichern und gestalten).

Als dann der Mann recht zufrieden im Bett lag, kamen die Angehörigen wieder und boten ihm allerlei Leckerbissen in der liegenden Position (AEDL Essen und Trinken, AEDL Vitale Funktionen aufrecht erhalten) an. Wieder war kompetente Angehörigenarbeit nötig. 

Mit der Abendtoilette (AEDL Sich Pflegen) wurde auf den Dienstbeginn einer männlichen Pflegeperson gewartet. Der Patient hatte den Wunsch nach gleichgeschlechtlicher Pflege geäußert. Dieser wurde selbstverständlich, wie es im Übrigen auch sonst gehalten wird, berücksichtigt. Die Pflegenden wissen, dass Muslime sich mit fließendem Wasser waschen wollen. Um das bei Bettlägerigkeit bewerkstelligen zu können, ist neben dem Lavoir ein Krug mit warmem Wasser nötig. Auf diese Weise kann der Waschlappen, der während des Waschvorgangs mehrmals gewechselt werden muss, immer wieder mit frischem Wasser begossen werden. Wie viele Waschlappen verwendet werden sollen, hängt davon ab, ob es sich um eine Teil- oder Ganzkörperwäsche handelt.    

Auch die Bettschüssel wurde ihm von einem Pfleger gereicht (AEDL Ausscheiden). Die besondere Sorgfalt, mit der dies auf Grund der Verletzung geschehen musste, war die gleiche, die auch bei PatientInnen ohne Migrationshintergrund gewaltet hätte. Allerdings ist es wichtig zu wissen, dass Muslime sich ihren Unterleib nach der Ausscheidung mit fließendem warmem Wasser waschen wollen. Eine Gießkanne kann im Fall der Bettlägerigkeit gute Dienste leisten. Sollte die Toilette nicht mit einem Bidet ausgestattet sein, kann auch dort die Gießkanne von Nutzen sein.

AEDL Essen und Trinken: Es genügt nicht zu wissen, dass Muslime kein Schweinefleisch essen wollen. Ein/e streng gläubige/r Muslim/a will nur Nahrung zu sich nehmen, die helal (bezeichnet alle Dinge und Taten, die im Islam erlaubt und zulässig sind) ist. Wie streng eine muslimische Person sich nach helal richtet, ist individuell unterschiedlich. Im einen Fall sind Personen zufrieden mit nicht- Schweinefleisch. Strengere wählen vegetarische Kost, und noch Strengere werden sich Essen von zuhause bringen lassen. Jeder Variante sollte mit Wertschätzung begegnet werden. 

Kultursensibel Pflegende können die manchmal speziellen oder ihnen unverständlich erscheinenden Wünsche und Bedürfnisse von pflegebedürftigen Menschen als mögliche und gleichwertige Varianten betrachten. So wird viel Konfliktpotential vermieden und der Gesundheitsprozess gefördert.

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Hat Pflege einen kultursensiblen Auftrag?

Jedes Individuum ist ein kulturell geprägtes Wesen und Mitglied mehrerer unter Umständen auch einander widersprechender Lebenswelten. Dafür sensibel zu sein und diese Sensibilität in der alltäglichen Pflege- und Betreuungsarbeit umzusetzen wird Pflegende der Zukunft auszeichnen. 

 Die Definition von Pflege des International Council of Nurses (ICN), veröffentlicht in der Österreichische Pflegezeitschrift Nr. 02 Feb. 06 lautet:  

Pflege umfasst die eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung, allein oder in Kooperation mit anderen Berufsangehörigen, von Menschen aller Altersgruppen, von Familien oder Lebensgemeinschaften, sowie von Gruppen und sozialen Gemeinschaften, ob krank oder gesund, in allen Lebenssituationen. Pflege schließt die Förderung der Gesundheit, Verhütung von Krankheiten und die Versorgung und Betreuung kranker, behinderter und sterbender Menschen ein. Weitere Schlüsselaufgaben der Pflege sind Wahrnehmung der Interessen und Bedürfnisse, Förderung einer sicheren Umgebung, Forschung, Mitwirkung in der Gestaltung der Gesundheitspolitik sowie im Management des Gesundheitswesens und in der Bildung.

Speziell aus der Aussage „Betreuung … von Gruppen und sozialen Gemeinschaften …“ geht hervor, dass Pflegende es als ihre selbstverständliche Aufgabe sehen können, interkulturelle Aspekte in ihre Arbeit einzubeziehen und kulturell sensibel zu handeln.

Ein kurzer berufskundlicher Exkurs zum Berufsbild Pflege soll obige Definition ergänzen.

In Abgrenzung zum ärztlich-medizinischen Bereich haben sich Pflegende immer schon gefragt, was die ureigensten Aufgaben der Pflege sind. Mit Hilfe von verbindlichen theoretischen Modellen haben sie versucht, die einzelnen persönlichen Bilder und Einstellungen der Pflegenden in einem konzeptionellen Modell zusammen fassen. Sie wollten damit die Kommunikation innerhalb des Pflegeberufes ermöglichen und die Darstellung nach außen als eigenständiges Berufsbild bewirken.

In Anlehnung an die Maslow`sche Bedürfnispyramide hat die Pflegetheoretikerin Virginia Henderson die „Grundbedürfnisse“ formuliert. Die Unterstützung bei der Erfüllung grundlegender menschlicher Bedürfnisse wurde als Aufgabe der Pflegenden betrachtet. Von der Pflegewissenschafterin Nancy Ropers wurden diese Grundbedürfnisse präzisiert und „Lebensaktivitäten“ genannt. Die Pflegewissenschafterin Monika Krohwinkel bezog in die Lebensaktivitäten auch (Lebens) Erfahrungen ein. Sie formulierte schließlich die „Aktivitäten und existenziellen Erfahrungen des Lebens“ (AEDL`s). (Seel, Mechthild/Hurlimann, Elke 2005: 31 – 44)

Diese sind:

  • Kommunizieren
  • Sich bewegen
  • Vitale Funktionen des Lebens aufrecht erhalten
  • Sich pflegen
  • Essen und trinken
  • Ausscheiden
  • Sich kleiden
  • Ruhen und schlafen
  • Sich beschäftigen
  • Sich als Mann, Frau oder Kind fühlen und verhalten
  • Für eine sichere Umgebung sorgen
  • Soziale Bereiche des Lebens sichern und gestalten
  • Mit existenziellen Erfahrungen des Lebens umgehen    

Im Pflegeunterricht wird die Frage nach der lebensgeschichtlichen Bedeutung der verschiedenen Lebensaktivitäten für eine bestimmte (pflegebedürftige) Person und den in diesem Zusammenhang gemachten Erfahrungen, der Bearbeitung einer jeden AEDL vorangestellt wird. Kulturelle Sensibilität soll und kann also einen wichtigen Stellenwert in Theorie und Praxis einnehmen, sofern die Rahmenbedingungen dies auch ermöglichen.  

Für Pflege und Betreuung gilt, vor allem wenn sie sich auf die direkte körperliche Unterstützung bezieht: In der unmittelbaren Arbeit am/mit dem Menschen sind letztlich alle Menschen gleich. Da jeder Mensch, jede Person unabhängig von einem möglichen Migrationshintergrund kulturell geprägt ist, muss eine kultursensible Pflege und Betreuung so gestaltet sein, dass sie allen hilfsbedürftigen Menschen zum Vorteil gereicht.

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Seminararbeit: Interkulturelle Kompetenz in Pflegeberufen

In meiner Seminararbeit, die ich im Rahmen des Universitäts-Lehrganges „Intercultural Competence“ verfasste, ging ich der Frage nach, ob kulturelle Sensiblität auf Grund des beruflichen Auftrages bei in der Pflege und Betreuung arbeitenden Personen vorausgesetzt werden kann. Weiters überprüfte ich die Relevanz des Gesundheitsentwicklungs- und Pflegekonzeptes „Kinaesthetics“ für eine kulturelle Sensibilität bzw. eine interkulturelle Konpetenz von Pflegenden.

Ich biete die Seminararbeit allen Interessierten zum Download an.

Die einzelnen Kapitel der Arbeit werde ich in der nächsten Zeit als Beiträge veröffentlichen.

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Wie viel kostet Qualität?

 Als ich das Krankenhaus nach der Schleimbeutel-Punktion verließ, bemerkte ich im Eingangsbereich eine Informationstafel über Qualitätssicherungsmaßnahmen und Kriterien zur Qualitätssicherung, welche in diesem Krankenhaus beachtet werden und durch welche sich dieses auszeichnet.

Ich selber hatte gerade eben die hohe hygienische und fachliche Qualität in Bezug auf die Durchführung der Punktion erleben dürfen, was ich mit großem Respekt anerkenne. Besonders hebe ich hervor, dass ich diese Leistung als Versicherungsleistung gratis in Anspruch nehmen kann. Mir ist bewusst, dass beides in den meisten Ländern der Welt nicht in annähernd gleichem Maß möglich ist.

Qualität noch zu steigern, wenn sie schon ein hohes Maß erreicht hat, ist meist nur durch besonders hohen finanziellen Aufwand möglich. In dieser Hinsicht dürfte unser Gesundheitssystem aber schon einen Plafond erreicht haben.

Ich möchte hingegen Maßnahmen zur Steigerung der Qualität im Gesundheitswesen vorschlagen, die praktisch nichts kosten. Sie beziehen sich auf die unmittelbare Förderung des Wohlbefindens von Menschen, die die Dienste des Krankenhauses in Anspruch nehmen müssen. 

  • Die Wartezeit vor der Punktion verbrachte ich im Aufenthaltsbereich. Dort waren zwei Fernseh-Apparate aufgestellt. Der Ton war leise gestellt, man konnte dem Gesagten nicht wirklich folgen. Die Lautstärke war aber doch so, dass sie sich nicht ignorieren ließ und ich nicht meinen Gedanken nachhängen oder im mitgebrachten Buch lesen konnte. Ich konnte aber auch nicht vor einem Fernseher flüchten, da am anderen Ende des Raumes der andere wartete. Auf diese akustische Zwangsbeglückung reagierte ich mit Anspannung, was nicht zu meinem Wohlbefinden beitrug.
  • Weder dem Arzt noch dem Pfleger hätte es mehr als eine halbe Minute gekostet, mein Knie anzugreifen, es zu berühren. Die Berührung hätte ihnen weiteren Aufschluss über den Zustand meines Knies gegeben, den weder ein Röntgenbild noch eine andere Apparate-Diagnostik geben kann. Oder sie hätten es einfach so getan, zweckfrei. Während dieser Berührung hätten sie mich anschauen, mir eine Frage stellen können. Ich hätte mich wahrgenommen gefühlt. Ich hätte durchgeatmet, mich entspannt, meinerseits vielleicht eine Frage gestellt. Vermutlich hätte ich sie dankbar angelächelt. Sie hätten also auch von mir was bekommen. In sozialen Berufen mit hoher Burnout-Rate ist gerade das besonders wichtig.
  • Echt kritisch anmerken muss ich die nicht vorhandene Positionsunterstützung bei der Durchführung der Punktion. (Siehe Du bist Knie). Positionsunterstützung ist grundsätzlich eine zentrale Aufgabe von Pflegenden. Fehlt diese, so mindert das die Qualität der Dienstleistung empfindlich. Entsprechend steigt sie, wenn sie fachgerecht durchgeführt wird. Die dafür nötigen Materialien sind nicht teuer. Und das Fachwissen sollte vorhanden sein.  
  • Als ich weg ging, hätte mir eine Frage im Sinn von „Werden Sie abgeholt, oder soll der Portier Ihnen ein Taxi rufen?“ gut getan. Wahrscheinlich hätte ich eifrig versichert, eh gut zurecht zu kommen, und mich auf Grund des gezeigten Interesses schon wieder besser gefühlt.

 Meine Ansicht ist, dass Pflegende auf Grund ihres Auftrages und ihrer Ausbildung im von mir exemplarisch aufgezeigten Sinn zur Förderung der (Lebens- und Gesundheits-) Qualität in Gesundheitseinrichtungen beitragen sollen. Aber, wo sind diese mit Hausverstand, Fachkenntnis und Eigenverantwortung ausgezeichneten Fachpersonen?

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Du bist Knie

Heute ging ich wegen einer Schleimbeutel-Entzündung (Bursitis) am rechten Knie zur Punktion in die Ambulanz ins Krankenhaus.

Nach einer kurzen Zeit des Wartens wurde ich in den Behandlungsraum geschickt und legte mich auf die Liege. Während ich wartete, ging ein Mann, offensichtlich ein Pfleger, ein und aus bzw. im Raum hin und her, ohne mir ein Grußwort zu geben oder mich sonst wie zu beachten. Schließlich bereitete er mein Knie für den bevorstehenden Eingriff vor. Er forderte mich auf, das Knie etwas anzubeugen, damit er die Desinfektionslösung auftragen konnte. Das Knie sollte ich dann angebeugt halten. Eine Knierolle wurde mir nicht angeboten. Sie hätte mir das Halten der Position sehr erleichtert und meine Körperspannung gesenkt.

Dann wurde das Knie mit sterilen Tüchern abgedeckt und der Arzt führte die Punktion durch. Das war eine leicht blutige Angelegenheit. Als diese beendet war, machte der Arzt mein Knie wieder frei, indem er die blutigen Tücher einfach auf mich warf. Dabei bekam meine Kleidung Blutflecken ab. Darüber war ich absolut nicht begeistert. Dann wurde ein Druckverband am Knie angelegt und ich war fertig.

Der Pfleger hat zu keinem Zeitpunkt eine Reaktion von mir auf seine Aufforderungen erwartet. Er hat nie Blickkontakt mit mir aufgenommen. Der Begriff „Interaktion“ als wesentliches Qualitätsmerkmal in der Pflege ist ihm offensichtlich fremd.  

Ich bekam noch mit, dass der Arzt zu Protokoll gab, dass mein Knie nicht entzündet sei. Ich selber hatte aber eine deutliche Temperatur-Erhöhung am rechten Knie bemerkt. Hätte einer der handelnden Akteure auch nur einmal mein Knie berührt, wäre das offensichtlich geworden.   

Im Nachhinein muss ich mir selber sagen: Du warst im Krankenhaus nicht einmal ein Knie. Du warst exakt ein Schleimbeutel. Alles was zu diesem Schleimbeutel sonst noch gehört, ist nicht relevant.

Meine Ansicht ist, dass Pflegende auf Grund ihres Auftrages und ihrer Ausbildung Menschen als solche wahrnehmen und ihr pflegerisches Tun dem entsprechend gestalten sollen.

Aber, wo sind diese mit Hausverstand, Fachkenntnis und Eigenverantwortung ausgezeichneten Fachpersonen?

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Kundin oder Zwangsbeglückte?

Heute nahm ich einen Zahnarzt-Kontroll-Termin wahr. Ich hatte keine Beschwerden, wollte nur wissen, ob alles mit meinen Zähnen in Ordnung ist.

Kaum hatte ich im Warteraum Platz genommen hatte, wurde ich schon aufgerufen. Aber ich wurde nicht in die Ordination, sondern zum Röntgen gebeten. Damit hatte ich nicht gerechnet. Die Assistentin erklärte mir, dass alle zwei Jahre eine Panorama-Aufnahme gemacht werden müsse. In diesem Punkt war ich aber besser als sie informiert. Nur alle zwei Jahre wird von der Krankenkasse eine Kiefer-Panorama-Aufnahme routinemäßig finanziert, da diese entsprechend teuer ist.

Auch wenn diese Aufnahme für mich persönlich gratis ist, wollte ich sie trotzdem nicht in Anspruch nehmen. Ich wollte nur einen Sichtbefund, vielleicht eine Rückmeldung zur Effizienz meiner Zahnpflege, zum Status meines Zahnfleisches. Alles Dinge, die im Röntgenbild nicht sichtbar sind. 

Danach „durfte“ ich eine gute Stunde warten. Als ich dann dran kam, war die Frau Doktor sichtlich wegen meiner Verweigerung des Röntgens gekränkt. Kurz und nach meinem Empfinden oberflächlich inspizierte sie meine Zähne, um mir zu erklären, dass sie in diese nicht hineinschauen könne, was ja stimmt. Die Atmosphäre war unerfreulich. Ich hatte mich offenbar „daneben benommen“, und das bekam ich zu spüren.

Eine „gute“ Patientin verhält sich halt nicht als Kundin, die selber entscheiden will, was sie bekommt. Sie lässt sich mit einer Leistung zwangsbeglücken, die weniger ihr selbst als vielmehr der Abrechnung der betreffenden Ordination zugute kommt.

Damit bin ich aber nicht einverstanden.

An dieser Stelle ein Aufruf. Bitte teilt mir mit, in welcher zahnärztlichen Praxis im Umkreis von A-4240 ich ohne atmosphärische Störung Kundin sein darf und nicht Zwangsbeglückte sein muss.

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Kinaesthetische Pflege als Gesundheitsentwicklungs- und Bildungsangebot

Pflegebedürftige Menschen erleben immer Einschränkungen in einzelnen Aktivitäten des täglichen Lebens, das heißt in ihrer eigenen aktiven Bewegung und somit in der selbständigen und selbst bestimmten Bewältigung ihres Alltags.

Dem Behandlungsparadigma verpflichtete Pflegende unterstützen Menschen in der besten Absicht, diesen in jeder Hinsicht Gutes angedeihen zu lassen. Die Annahme ist, dass Pflegebedürftige etwas nicht können. Das, was nicht gekonnt wird, übernimmt die Pflegeperson.

Kinaesthetische Pflege und Betreuung geht davon aus, dass unterstützungsbedürftige Personen etwas so, wie Gesunde es tun und wie sie selbst es vor der Erkrankung getan haben, nicht mehr tun können. Kinaesthetisch Pflegende bieten eine Hilfe an, die Hilfsbedürftige beim Entdecken und Erlernen von neuen Möglichkeiten bei der Durchführung von alltäglichen Aktivitäten unterstützt. Einfache Pflegearbeit wird dadurch zu einer hoch professionellen Gesundheits- und Bildungsarbeit. Selbstverständlich (im Sinn eines kybernetischen Lernverständnisses) liegt das Bildungsangebot dabei nicht im Erklären oder Zeigen oder gar im Belehren, sondern im feinfühligen Führen und Folgen und in der unterstützend-begleitenden körperlichen Hilfe.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Schon bei einem einfachen chirurgischen Eingriff in der Bauchdecke, mehr noch bei neurologischen Erkrankungen oder bei Beschwerden im Bewegungs- und Stützapparat, können Menschen ihr meist unbewusstes Bewegungsmuster, von der Liegeposition im Bett zum Sitzen und zum Stehen zu kommen, nicht mehr wie gewohnt durchführen. Haben sie wenig Erfahrung mit der Anpassung ihrer Bewegung an veränderte Gegebenheiten, so werden sie nach einem schmerzhaften oder überhaupt misslungenen Versuch Hilfe von einer Pflegeperson erwarten. Geht diese von der Annahme aus, dass Menschen unabhängig vom Alter oder der Schwere der Beeinträchtigung immer (lern)- fähig sind, sofern sie eine angemessene Umgebung und Unterstützung bekommen, so wird sie ihre Hilfe als Lernangebot gestalten. Sie wird zum Beispiel die Rückenlehne des Bettes flach stellen, um der liegenden Person, der sie vorher geholfen hat, die Beine anzubeugen, das Drehen in die Seitenlage zu erleichtern. Bei der anschließenden Gewichtsverlagerung von Kopf und Brustkorb auf die Ellbogen, Unterarme und Hände bis zum Sitzen wird sie die Person verbal, aber noch mehr durch klare aber nicht bestimmende Impulse begleiten und unterstützen.          

Der dadurch entstehende Lern- und Entwicklungsprozess bezieht sich gleichermaßen auf Helfende wie Hilfsbedürftige (siehe zirkulärer Wirkungszusammenhang zwischen Systemen). Auf Grund der Erkenntnis dieses Wirkungszusammenhanges ergibt sich logisch, dass Hilfestellung nie nach einem Schema, einem Patentrezept erfolgen kann. Die Pflegende muss jederzeit ihr Unterstützungsangebot so verändern, dass es dem unmittelbaren Bedarf angepasst ist. Ebenso logisch ergibt sich, dass kinaesthetische Pflege nicht von Diagnosen geleitet ist. Diagnosen können auch als Konstrukte angesehen werden, welche die Einschränkungen und Probleme, die sie beschreiben, erst produzieren.

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Was ist Kinaesthetics?

Das auf der Verhaltenskybernetik (der Wissenschaft von zirkulären Wirkungszusammenhängen) aufbauende Konzept „Kinaesthetics“ ist ein erfahrungsbezogenes Lern- und Bewegungskonzept. Es ermöglicht jedem Menschen, seine eigenen Fähigkeiten zur Interaktion und seine Bewegungskompetenz zu erweitern.

Bewegung ist ein explizites Merkmal des Lebens. Alle Lebensvorgänge sind mit Bewegung verbunden. Durch Regelkreise im Organismus werden diese Lebensvorgänge (Vitalfunktionen, Metabolismus, Zellfunktionen etc.) kontrolliert und aufrecht erhalten. Auch scheinbar bewegungslos in einer Position verweilende Menschen machen ständig kleinste Ausgleichsbewegungen. Nur so können Menschen sich im Gravitationsfeld der Erde behaupten. 

Das komplexe und vielschichtige Thema Bewegung wird durch Kinaesthetics verstehbar und als Grundlage für Lern- und Entwicklungsprozesse nutzbar gemacht. Darüber hinaus bietet es Ideen für die Unterstützung und Betreuung von hilfsbedürftigen Menschen.

Kinaesthetics wurde in den 1970er Jahren als Grundlage für den Unterricht von Bewegungsfähigkeit und menschlicher Funktion von Dr. Lenny Maietta und Dr. Franc Hatch entwickelt. Der Begriff „Kinaesthetics“ setzt sich aus „Kinesis“ (Bewegung), und „Aisthesis“ (Wahrnehmung, Empfindung) zusammen.

Kinaesthetics ist eine praktische Anwendung der verhaltenskybernetischen Theorie und Forschung. Die Verhaltenskybernetik ist jene Wissenschaft, die aufzeigt, dass lebende Systeme insbesondere durch das Wahrnehmen des eigenen Tuns lernen. Wahrnehmung und Steuerung der eigenen Handlungen sind als zirkuläre Wirkungszusammenhänge innerhalb des geschlossenen „Systems Mensch“ zu verstehen.

Dem entsprechend beachtet Kinaesthetics, dass Menschen auf einen Input (Berührung, Impuls, Unterstützungs- oder Lernangebot etc.) nicht immer mit dem gleichen Output reagieren. Das Verhalten eines einzelnen Menschen kann von anderen Personen oder der Umwelt wohl beeinflusst, aber nicht bestimmt werden. 

Kinaesthetics wird berufsspezifisch in den Bereichen Pflege, Rehabilitation, Geriatrie und Langzeitpflege, Infant Handling und Pädagogik unterrichtet und umgesetzt.

Kinaesthetics hilft, eigene Bewegungs- und Verhaltensmuster bewusst zu machen, Empfindungs- , Wahrnehmungs- und Reflexionsfähigkeit zu schulen und zu verbessern, und Bewegung auf eine gesundheitsfördernde und aktivierende Art und Weise zu gestalten.

Dies drückt sich in der Pflege darin aus, dass die Pflegenden die individuellen Bewegungsmöglichkeiten und -gewohnheiten der hilfsbedürftigen Menschen wahrnehmen und in die Interaktion einbeziehen. Sie gehen dabei nicht bestimmend oder bevormundend (linear kausal) vor, sondern sind Teil eines zirkulären Wirkungszusammenhanges zwischen Systemen (System pflegebedürftige und pflegende Person).

Angestrebt wird, Menschen zu befähigen, über wahrgenommene Bewegungsabläufe ihr eigenes Lernen und ihre eigenen Gesundheitsprozesse zu unterstützen und somit ihr Leben zu gestalten.

Das Erfassen der Bedeutung von Kinaesthetics für die Entwicklung von persönlicher Lebensqualität sowie für gesellschaftliche Entwicklungsprozesse steht noch am Anfang.

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