Samstag 23. 11. 2013

Die liebe Lea öffnet mir das Tor

Heute hatte ich mit einem Erfrischungstuch „geduscht“. Das Wasser war aus, und ich hatte wenigstes nicht denselben Fehler gemacht wie letztes Mal, als ich annahm, die spärlichen Wassertropfen aus der Dusche würden von einem Wasserstrahl gefolgt und ich schon voller Begierde, meinen Schweiß und die Hitze im Körper los zu werden, Duschgel auftrug. Das Wasser versiegte ganz, und als einzige Möglichkeit blieb mir, mit dem Zahnputzbecher Wasser aus dem Klo-Spülkasten zu schöpfen und das Gel schlecht und recht abzuspülen.

Und heute hatte ich das erste Mal mit den Fingern gegessen. Es war einfach kein Löffel aufzutreiben im Hospice. Es war eh kein Problem. Aber den Batz aus Fufu und Sonnenblumen-Fisch-Sauce schaufle ich doch lieber mit dem Löffel.

Und heute hat mir meine liebe Mitbewohnerin Sr. Lea mitgeteilt, dass bei ihr Malaria diagnostiziert wurde. Je suis désolé.

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Kurz vor der Abreise in die Demokratische Republik Kongo

Bis jetzt habe ich versucht, meine Einträge in Form von reflektierten Überlegungen und, wie ich meine, mit in gewissem Maß relevanten Inhalten zu gestalten. Ab jetzt wird sich das vielleicht ändern. Jedenfalls alles, was ich unter dem Stickwort „Kinshasa“ veröffentlichen werde, wird möglicherweise das Niveau eines Reiseberichts oder gar Reisetagebuchs haben. Zumindest ist mein Einstieg ins Thema so. Ich bin aufgeregt, hab zwei Tage fast nur gepackt, muss vieles zurücklassen, weil in den Koffern zwar noch Platz frei wäre, aber das Gewichtslimit von 23 kg erreicht ist. Das Handgepäck darf „nur“ 8 kg haben. Das ist für Bücher, Laptop und Ipad und all das Kleinzeugs, das auch noch mit muss nicht so viel.

Um zu üben werde ich jetzt ein paar Fotos mit posten. Wenn ich dann in Kinshasa bin und Internet-Zugang habe, werde ich mehr schreiben.

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Trommel-Workshop und ganzheitliches Lernen

Fünf Frauen, ein Mann. Alle haben schon mal getrommelt. Wir sind also im Fortgeschrittenen-Kurs. Unser Lehrer Markus Lindner ist ein renommierter Musiker, Percussionist und Dirigent, und vor allem ein phantastischer Pädagoge.

Der Einstieg geht über den Körper. Markus versteht es, uns zum Wahrnehmen des Pulses hinzuführen. Dann machen wir die ersten Töne auf der Trommel. Fingerdibs. Ton. Bass. Und diese aneinander reihen in einem bestimmten Rhythmus. Unser Können oder Nicht-Können darf sein. Den Rhythmus verlieren, und bevor noch Stress aufkommt, ihn wieder finden. Immer wieder Lob und Ermutigung. Markus spielt uns Rhythmen vor, wir spielen sie nach. Da geht es um das Hinhören, und um das Wahrnehmen und bedingungslose Übernehmen des Rhythmus mit dem ganzen Körper. Das Trommeln als Ganzkörper-Aktivität, aber mit Aufmerksamkeit. Wenn meine Gedanken mal abschweifen, gerate ich sofort ins Stolpern.

Langsam versuchen wir uns an längeren rhythmischen Phrasen, und spielen diese im Kanon. Ich bin auf meine Kleingruppe – zuerst zu dritt und dann zu zweit – angewiesen. Wenn die eine Person aussteigt, orientiert sie sich an der anderen, und umgekehrt. Ich merke, dass das Lernen mit Anderen hilfreich ist. Und natürlich macht es Freude. Diese ist uns anzusehen.

Markus gibt uns Anweisungen, wie wir die einzelnen Schläge ausführen sollen. Bei den Fingerdips bleiben die Fingerkuppen kurz auf dem Fell der Trommel „kleben“. Beim Bass fällt die ganze Hand in die Mitte der Trommel und federt sogleich wieder zurück. Beim Ton am Trommelrand sollen die Finger gesschlossen und leicht gespannt sein.

„War das jetzt richtig?“ ist eine häufig gestellte Frage. Markus` Antwort: „Grundsätzlich ist gar nichts falsch. Es kommt nur drauf an, was jemand will“. Sind beispielsweise die Finger beim Schlagen des Tons locker, dann entsteht ein höherer Sound, der sich dann vom Slap, welcher der höchste Sound ist, der mit der Trommel erzeugt wird, nicht genügend abhebt.

Überhaupt, der Slap. Er gelingt den so weit Fortgeschrittenen, wie wir sie sind, selten. Der Slap will entspannte Finger, das Handgelenk entspannt und in der genau passenden Beugung, und dann ein leichter und lockerer Schlag auf den Trommelrand, die Hand zurück federnd. Ehrlich gesagt, mache ich meist einen Slap, indem ich kurz und heftig drauf haue. Aber abgesehen davon,  dass der Sound dabei nicht wirklich schön kommt, braucht das zu viel Kraft, und längeres Spielen ist so nicht möglich.

Ich akzeptiere: Den Slap kann ich nicht einfach „können wollen“. Er verweigert sich erhöhter  Spannung und Anstrengung.

Während des gemeinsamen Spiels gibt Markus immer wieder Kommentare, z.B. „Nicht zu sehr mit den Fingern zum Trommelrand kommen!“. Hat er mich gemeint? Soll ich ihn fragen, ob es bei mir passt? Aber nein. Er hat uns einen Hinweis zur Selbstkontrolle unseres Spiels gegeben. So kann ich die Verantwortung für mein eigenes Lernen besser übernehmen.

Dort liegt der wirklich wichtige Punkt für das Lernen. Der gute Lehrer, die gute Lehrerin ist auf einer sehr tiefen Ebene Experte/Expertin ihres Fachs. Sie oder er ist nicht nur in der Lage, den Lernenden etwas Bestimmtes und Abgegrenztes beizubringen, sondern ihnen eine neue Welt zu eröffnen. In dieser Erfahrungswelt können die Lernenden dann ihre eigenen Schritte tun, so weit wie sie gehen können und wollen.

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Der kulturelle Rucksack

Kann es Heimaten geben? Unter diesem Titel hielt der Historiker Christoph Ulf am 9. Mai 2012 in Linz bei der  5. Landesintegrationskonferenz einen spannenden und vielschichtigen Vortrag. Ich will ihn in gekürzter Form in drei aufeinander bezogenen Teilen hier wiedergeben.

Ulf stellt sich in dem Vortrag der Frage, ob und wie es möglich ist, dass derselbe geographische Raum von Menschen als ihre Heimat betrachtet wird, die sich auf unterschiedliche Traditionen berufen, die in unterschiedlichen „Ordnungen“ sozialisiert wurden. Kann es also Heimaten im Plural geben, die gleichzeitig, nebeneinander, miteinander, einander überlappend bestehen? Ulf sagt: Das kommt drauf an. In der Folge nimmt er die Zuhörenden mit auf einen Weg zum Verständnis, worauf es dabei ankommen kann.

Das Wort Heimat lässt das Gefühl von Geborgenheit, Zugehörigkeit und Vertrautheit aufkommen und steht mit der eigenen Identität in Verbindung. Einen Faktor, durch den sich Identität ausbildet, benennt der Referent mit dem kulturellen Rucksack.

Der kulturelle Rucksack steht als symbolhaftes Bild für die tiefen Prägungen und bleibenden Eindrücke in der Kindheit, die jede Person in der Klein- und Großfamilie, im Freundes- und Verwandtenkreis erfährt. Er wird in den ersten Lebensjahren gut gefüllt mit bestimmten Verhaltensformen, Redeweisen und nicht mehr völlig ablegbaren Denkmustern und Werthaltungen. Es gibt keinen Menschen ohne ein derartiges „kulturelles“ Gepäck.

Dieses enthält auch Signale, an denen man Zugehörigkeit zum eigenen sozialen Umfeld rasch erkennen kann. Beispielsweise manche Merkmale der Kleidung oder Essensgewohnheiten, aber auch bestimmte Gesten, die Art, mit der Gefühle oder auch Respekt gegenüber jemand anderem ausgedrückt werden …

Den Rucksack kann man zwar abnehmen und auch versuchen, ihn irgendwo zu deponieren und ohne ihn weiter zu gehen, wenn er scheinbar zu schwer geworden ist. Aber das funktioniert nicht. Der Rucksack enthält vieles, was uns nährt und was wir zum Leben brauchen. Ohne ihn verlieren wir unsere Orientierung.

Allerdings ist der Inhalt des Rucksacks nicht stabil. Wir können – und machen das auch täglich – in ihn etwas Neues hinein geben, anderes entfernen.

Jedoch, auch wenn uns das nicht bewusst ist: Ein mehr oder weniger großer Teil der anfänglichen Gepäcksstücke bleibt im Rucksack zurück.

Anmerkung H. Moser: Was im eigenen kulturellen Rucksack drin ist, ist einem selbst meist eher unbekannt. Um etwas über seinen Inhalt herauszufinden, ist es sinnvoll, die eigenen Emotionen und Reaktionen zu reflektieren, wenn wir mit Fremdem/Befremdlichem/Bedrohlichem oder Unbekanntem konfrontiert sind.

Was genau irritiert mich beispielsweise, wenn ich eine Frau mit Kopftuch oder gar mit einer Ganzkörper-Verhüllung sehe? Was geht mir durch den Kopf, wenn eine Gruppe von Menschen in einer mir unbekannten Sprache spricht? Wenn jemand ein Verhalten zeigt, das mich stört? Etc.

Weitere Unterlagen zum Vortrag finden sich auf der Homepage der Integrationsstelle des Landes OÖ unter

http://www.integrationsstelle-ooe.at/xchg/SID-1D0EDAAC-8FCFCE22/hs.xsl/1577_DEU_HTML.htm

Historiker Christoph Ulf bei der  5. Landesintegrationskonferenz am 9. Mai 2012 in Linz
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Integration als Lernparadigma für die gesamte Gesellschaft

Ich absolvierte von 2008 – 2010 an der Universität Salzburg ein interkulturelles Studium. Meine Abschluss-Arbeit stelle ich als download unter Kommunale Integrationsstrategien zur Verfügung.

Ein kurzer Überblick über meine Arbeit: Für ein grundlegendes Verständnis der Thematik skizzierte ich zuerst die österreichische Migrations- und Integrationspolitik nach 1945 und definierte die einzelnen Integrationsparadigmen – von Non Policy über sozialpädagogische, kompensatorische zu aktivierenden Maßnahmen.

Strukturelle Machtungleicheit und Disziplinierung aus der Sicht des Philosophen Michel Foucault soll einen kritischen Blick auf die Praxis der Gesetzgebung bezüglich Migration und Integration ermöglichen.

Ich untersuchte, inwieweit Konzepte der Kultur und der Interkultur Relevanz für kommunale Integrations-Maßnahmen haben. Der Darstellung des Integrations-Leitbild des Landes OÖ folgt Kritik am Integrationsbegriff.

Den Hauptteil bildet die Beschreibung und Evaluierung der verschiedenen in Freistadt stattfindenden Integrations-Maßnahmen.

Abschließend verglich ich die interkulturelle Entwicklung Freistadts mit der von Steyr und stellte Überlegungen zu wünschenswerten kommunalen Strategien zur Ermöglichung von Partizipation aller in der Kommune lebenden Menschen an.

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Landesausstellung „die 60er“ vergisst Gastarbeiter

Selektive Geschichtswahrnehmung zeigte sich in der im Vormonat zuende gegangenen  niederösterreichischen Landesausstellung „die 60er. Beatles, Pille und Revolte“ (1.5. bis 1.11. 2010) auf der Schallaburg bei Melk.

Die Ausstellung wurde unter Mitwirkung namhafter WissenschafterInnen unterschiedlichster Disziplinen (z.B. dem Soziologen Roland Girtler) gestaltet und hat die Kultur- und Zeitgeschichte der 60er Jahre, also eines Zeitraums, der mehr als 40 Jahre zurück liegt, zum Thema. Die Veranstalter spannen nach eigener Beschreibung den Themenbogen von Kunst über Politik, Gesellschaft bis hin zur Technik.

In der Ausstellung wird auch der Vollbeschäftigung, dem wirtschaftlichen Aufschwung, dem Arbeitskräfte-Mangel und dem damals noch sehr traditionellen Rollenbild der Frauen, das von ihnen erwartete, sich auf Familienarbeit zu beschränken und dem Erwerbsleben fern zu bleiben, Raum gewidmet.

Mit keinem Wort bzw. Artefakt sind aber die folgenreiche Liberalisierung des Arbeitsmarktes, die Anwerbung von Gastarbeitern und damit ein Start- bzw. Wendepunkt in der Arbeitsmigration in jenem Jahrzehnt in der umfangreichen Ausstellung existent. Die sich entwickelnden nachhaltigen gesellschaftlichen Veränderungen sowie der Beitrag der „Gastarbeiter“ zur Sicherung des allgemeinen Wohlstands in Österreich sind kein Thema. Dieses wurde schlichtweg von den Gestaltern und Gestalterinnen übersehen. Eine vertane Chance, den tausenden BesucherInnen der Ausstellung einen bedeutenden Aspekt der Zeitgeschichte, der die Gesellschaft in der Gegenwart maßgeblich betrifft, auf eine sachliche und entemotionalisierende Weise näher zu bringen.

Historische Reflexionen und eine thematische Aufarbeitung und Vermittlung der jüngeren Zeitgeschichte in Bezug auf Migration sind, so lässt jedenfalls diese Ausstellung vermuten, noch kein bevorzugtes Thema der Wissenschaft und der Kulturvermittlung.

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Die ÖBB mögen Reisende mit Fahrrädern nicht- Teil 2

Früher (ja, viel früher, so lange reise ich schon mit der Bahn) konnten Bahnreisende, die im Besitz einer Vorteilscard waren, ihr Fahrrad in der Bahn gratis mitnehmen. Das hörte sich irgendwann auf, und es gab einmal jährlich einen Gutschein für 6 Gratis-Mitnahmen für das Rad. Ich kam damit aus, weil ich von anderen Vorteilscard-BesitzerInnen, die nicht Rad fuhren, deren Gutscheine „schnorrte“. Später waren auf demselben Papier nur mehr 5 Radmitnahme-Gutscheine drauf, und dann nur mehr 3. Da schaffte ich es nicht mehr, mit dem Schnorren der Gutscheine von Anderen meine Rad-Ausflüge günstig zu gestalten.

Damit ist es aber jetzt sowieso vorbei. Es gibt gar keine Gutscheine mehr. Und immer weniger Züge, die Räder mitnehmen, und in diesen immer weniger Stellplätze. Und die Regionalbahnen, die bei Radreisenden oder auch bei Wanderern besonders beliebt sind, werden zunehmend eingestellt.

Meine Bereitschaft, zu einer nachhaltigen Klimasicherung durch Bahnbenutzung beizutragen, durch „sanften Rad-Tourismus“ Geld in der Region zu lassen und auch meine Gesundheit zu stärken, wird durch all dieses Bahn-Management ziemlich strapaziert.

Ein Vorschlag noch an die Bahn-Manager: Sie sollen selber einmal als Rad-Touristen, und nicht nur als  Business-Menschen auf den schnellen Städte-Verbindungen die Bahn benutzen.

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Die ÖBB mögen Reisende mit Fahrrädern nicht- Teil 1

„Unsere obersten Bahn-Manager wollen euch nicht mit den Radeln im Zug“, bestätigte uns ein Bahnbeamter, der uns bei der schwierigen Suche nach einer Zugverbindung von Krems nachhause unterstützte. Mein Mann und ich hatten zwei freie Tage für Kultur- und Naturerleben genutzt und den Besuch der 60er Jahre-Ausstellung auf der Schallaburg und der Paula Modersohn-Becker-Ausstellung in der Kunsthalle Krems mit dem Radfahren auf dem Donauradweg durch die Wachau verbunden.

Bei der Hinreise hatten wir Glück gehabt. Von Freistadt nach Linz und von Amstetten nach Melk  reisten wir mit den Rädern ohne Einschränkung in den Regionalzügen, und im ICE Linz-Wien konnten wir bis Amstetten zwei Radstellplätze reservieren. Irritierend und stressig war, dass wir die Räder nicht wie noch vor zwei Jahren üblich mit Hilfe eines Bahn-Angestellten im Gepäckwagen einstellen konnten. In dem zweiminütigen Aufenthalt mussten wir den Wagon für den Radtransport, der nicht angesagt wurde, finden und die Räder schnell über die Stufen rauf in einen kleinen Vorraum vor der Toilette heben. Insgesamt 4 – 6  Stellplätze stehen in solchen Zügen seit neuestem für Fahrräder zur Verfügung! Im Gegensatz zu vielen Rädern, die früher im Gepäckraum untergebracht wurden.

Bei der Rückreise hatten wir Pech. Eine Rad-Reservierung in einem ICE St. Pölten- Linz war am gewünschten Reisetag nicht mehr möglich. Unsere Odyssee sah dann folgendermaßen aus:  Regionalzug Krems-St. Pölten, umsteigen nach Amstetten, umsteigen nach St. Valentin, umsteigen nach Linz, umsteigen nach Freistadt, wo wir nach Mitternacht ankamen. Das ganze dauerte für 214 Bahnkilometer knapp 6 Stunden. Vorteil: Durch die ständige Anspannung, das nächste Umsteigen nicht zu verpassen, den richtigen Wagon zu finden etc. stellte sich die wohlige Müdigkeit, wie sonst auf langen Bahnreisen, nicht ein, und ich kam mit meiner Reiselektüre ein gutes Stück weiter. Nachteil: Wir werden wohl nicht mehr so schnell unser Klima durch den Verzicht auf das eigene Auto mit einigen Kilos CO2 entlasten, sondern bei solchen Ausflügen künftig auf die Bahn verzichten.

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Freistadt mit dem ALP`s Modell betrachtet

ALP`s steht für Access Leverage Points.

Dieses Modell soll einen direkten, rasch erfahrbaren Zugang zu einer „Kultur“ ermöglichen. Es nutzt oder kreiert bewusst Stereotype. Ein Stereotyp ist normalerweise negativ konnotiert, obwohl ohne Stereotype eine rasche Orientierung in der Komplexität des Lebens kaum möglich ist. Das ALP`s Modell erlaubt eine verallgemeinernde, aber auch kreative Umdeutung von Wertigkeiten, behindert aber nicht eine tiefer gehende Reflexion. So ist ein Blick hinter die Fassade und eben eine Bewusstheit des Stereotypen, das sich häufig hinter dem Begriff Kultur verbirgt, möglich.

Im Mittelpunkt dieses Modells steht die zentrale Metapher. Dieser Metapher werden Subformen zugeordnet, welche die zentrale Metapher (das Haupt-Stereotyp) differenzierter darstellen. Leverage bedeutet Hebelwirkung. Die Leverage Points sind sozusagen Hebel, gleichzusetzen mit Entwicklungenmöglichkeiten, die in einer Kultur anhand der Metaphern und der Subformen sichtbar werden.

Freistadts Zentrale Metapher:

Die historische Altstadt

Wann immer die FreistädterInnen in einem offiziellen Rahmen über ihre Stadt reden, dann halten sie sich, ungeachtet was sich im Lauf der Zeit sonst noch getan und verändert hat, an das Bild der historischen Altstadt. Politiker und Tourismus-Fachleute nutzen dieses Bild besonders gern.

Der Hauptplatz inmitten der Altstadt wird als Parkplatz gebraucht. Autos raus aus der Innenstadt, das kann es einfach nicht geben. Da würde ja glatt die ganze Wirtschaft zusammen brechen. Die Wirtschaft steht trotz Hauptplatz als Parkplatz nicht mehr besonders gut da. Viele Geschäfte stehen leer, und seit 2010 ist Freistadt eine sogenannte Abgangsgemeinde. Das heißt, die Stadtgemeinde budgetiert defizitär. Das Land OÖ übernimmt zwar das Minus. Dafür muss aber bei der Vereinsförderung drastisch gekürzt werden. Das tut den Blasmusikern, Bürgercorps und Sportvereinen etc. weh, dass die Subventionen nicht mehr so reichlich fließen und mit dem Anschaffen einer neuen Uniform etc. eine Weile gewartet werden muss. Aber macht nichts. Dafür gibt’s auf dem Hauptplatz den Lubinger. Seine Mehlspeisen und Lebzelten und jetzt in der warmen Jahreszeit das Eis bringen Süße ins Leben. Ist doch klass, wenn man am Sonntagnachmittag schnell eine Runde mit dem Auto auf dem Hauptplatz inmitten der historischen Altstadt drehen und sich ein Eis holen kann.

Gleich neben dem Hauptplatz beim Lubinger links rein geht’s in den Schlosshof. Das „Schloss“ beherbergt das Finanzamt. Echt eine Beleidigung, dass dieses zwecks Strukturbereinigung mit den Finanzämtern Rohrbach und Urfahr Umgebung zusammen gelegt wurde. (Aber wenigstens haben wir das Bezirksgericht auf dem anderen Ende des Platzes noch ganz für uns.) Der Bergfried, so heißt der Schlossturm, ist der höchste Turm in Freistadt nach dem Kirchturm. Weiters ist „Bergfried“ der Name des ÖVP-Ortsparteiblattes.

Die historische Altstadt ist von einer Stadtmauer und diese von einem Stadtgraben umgeben. Früher, noch vor ca. 60 Jahren, als es noch kinderreiche Familien und reichlich Dienstboten gab, wohnten an die 4000 Menschen innerhalb der Stadtmauern. Jetzt nur noch ca. 900 Menschen. Die anderen (von 7500) wohnen außerhalb der Altstadt. Da gibt es die mit dem eigenen Haus und Garten, ein wenig wie eine Mini-Altstadt. Und die anderen, die in den Wohnblocks wohnen. Diese Anderen sind häufig wirklich andere, nämlich Fremde. Würden die in der Altstadt leben, wäre sie gleich wieder dicht bevölkert. Die haben nämlich alle viele Kinder. Sie würden aber nicht in die Altstadt passen. Wer in der Altstadt ein Haus besitzt, ist nämlich MitbesitzerIn der Freistädter Brauerei, die als Braukommune im Besitz der Innenstadt-HausbesitzerInnen ist. Diese Fremden gehen am Sonntag auch nicht ins Katharinenmünster und danach zum Frühschoppen auf ein Freistädter Ratsherrnbier, sondern am Freitag in die Moschee. So würde es nicht passen, wenn sie einmal im Jahr ihr ihnen als Brauerei-MitbesitzerInnen zustehendes Fassl Bier bekommen würden. Dem Bier (stellvertretend für alle weiteren Alkoholika) ist es hauptsächlich zuzuschreiben, dass diese Anderen immer fremd bleiben. Man kann sich mit ihnen nämlich nicht auf ein Bier zusammen setzen. Es gibt aber praktisch kein sich Zusammensetzen, kein Fest, keine Begegnung ohne Bier in Freistadt. Wenn das Fronleichnamsfest mit einer Agape endet, so wird auch bei dieser Bier ausgeschenkt. Das gehört zu uns, das Bier. Das ist unsere Kultur und Tradition. Diesen Wert lassen wir uns nicht anpatzen.

Subformen

  • Die historische Altstadt mit dem prächtigen Hauptplatz steht für Tradition und Wertebewusstsein und dafür, dass die Stadt in der Vergangenheit einmal reich und wichtig war.
  • Die Verkehrsbelastung nicht nur in der Innenstadt, sondern durch den Durchzugs(schwer)verkehr von Skandinavien/Baltikum bis an die Adria in anderen Teilen der Stadt bedeutet eine wesentliche Einschränkung der Wohn- und Lebensqualität in Freistadt. Diese Verkehrsbelastung steht stellvertretend für globalisierte Probleme der Gegenwart, die selbstverständlich auch vor einer idyllischen Kleinstadt nicht Halt machen.
  • Nicht erst seit der Wirtschaftskrise stehen in der Innenstadt viele Geschäfte und damit Schaufenster leer. Diese „toten Augen“ mit Leben zu erfüllen hat sich die KünstlerInnen-Gruppe „Schaufenster Freistadt“ als Aufgabe vorgenommen. Sie stellen in den leeren Schaufenstern ihre Werke aus und errichten so eine ständig offene „Galerie“. Ebenfalls in der Innenstadt gibt es die Kulturinitiative und das Programmkino „Localbühne“. Die Localbühne veranstaltet jährlich im August das international beachtete und bedeutende „Heimatfilm-Festival“. Diese beiden Initiativen mögen als Synonym für Moderne, Eigeninitiative und Kreativität gelten, die ebenfalls in einem kleinstädtischen Milieu gedeihen können.

ALP 1:  Das Bewusstsein, in einem historisch bedeutenden und architektonisch ansprechenden Umfeld zu leben, kann Selbstvertrauen und Identität der Bevölkerung stärken.

ALP 2:  Als Verlust-Punkt kann die mangelnde Bereitschaft eines großen Teils der Bevölkerung, auf individuelle Mobilität zugunsten eines stärker ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetzes zu verzichten, gelten. Scheinbar bedeutet es einen Vorteil, durch den Ausbau einer Schnellstraße schneller in den Stau im Zentralraum zu kommen. Durch eine  Schnellstraße wird das Transitverkehrsaufkommen noch stark steigen und die Attraktivität der Region für sanften Tourismus sinken.

ALP 3:  Künstlerische und kreative Initiativen auf Basis der Beteiligung vieler BürgerInnen tragen zu einer Belebung der Innenstadt bei. In der Folge kann sich ein sanfter Tourismus (Slow City) entwickeln, der der Stadt auch ökonomische Vorteile bringen kann. Jedenfalls können diese Initiativen und das dadurch geprägte Stadtbild die historischen Werte um einen gegenwartsbezogenen Wert ergänzen und die Identifizierung von Teilen der Bevölkerung mit ihrer Stadt stärken.

ALP 4:  Soziale Spannungen durch die Bildung von Parallelgesellschaften sind in Freistadt nur unterschwellig bemerkbar. Initiativen, die sich um eine Annäherung an Zugewanderte bemühen, sind vorhanden, haben aber randständige Bedeutung. Die Themen Migration, Integration und Diversität werden in Politik und Gesellschaft noch nicht als Querschnittmaterie wahrgenommen. In diesem Bereich halten sich die Probleme, aber auch Entwicklungschancen die Waage.

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Der virtuelle Patient. Der gute Arzt. Die gute Pflege.

Zeitgleich mit meiner eigenen Krankenhaus- und Hinfälligkeitserfahrung las ich im Presse-Spektrum vom 15. Mai 2010 den Artikel „Der virtuelle Patient“ des Grazer Philosophen und schätzungsweise Altersgenossen Peter Strasser über seine Erfahrung mit Medizin und Krankheit. Die Quintessenz seines, eines Philosophen würdigen Artikels war die Trauer darüber, dass es den „guten Arzt“ nicht mehr gibt.

Ich möchte seine Ausführung, der ich mich in vielen Punkten anschließen kann, mit der Trauer um den Verlust der „guten PflegerIn“ ergänzen.

Das Vorspiel zu meinem kurzen Krankenhaus-Aufenthalt war zwei Tage vor der OP. Es ging um die Diagnose-Stellung eines Meniskus-Schadens und der Vorbereitung auf eine sogenannte Arthroskopie, einer „Knopfloch-Chirurgie“ zur Ausbesserung des schadhaften Meniskus. Meine Krankengeschichte wurde von der Unfallchirurgin gewissenhaft aufgenommen. Die Anästhesistin führte ein klärendes Gespräch mit mir. Ich durfte seitenweise Antworten auf Fragen ankreuzen und dann mein Verständnis und Einverständnis mit Unterschrift bestätigen. Insgesamt eine bestens standardisierte OP-Vorbereitung.

Am Aufnahme-Tag bekam ich von der Schwester mein Zimmer und Bett zugewiesen und traf zwischen vier Menüs, die sie mir vorschlug, meine Auswahl. Sie legte mir ein Papier zur Unterschrift vor, auf dem ich ankreuzen konnte, ob jemand (wer?), niemand, oder jedermann/frau Auskunft über meinen „Fall“ einholen könne.

Irgendwann war dann der Eingriff vorüber und ich befand mich im „Aufwach-Raum“. Meine Beine und mein Becken fühlten sich ganz schwer und unbeweglich an, kein Wunder, ich hatte mich für eine  Rückenmarks-Narkose entschieden. Warum war ich aber so müde und benommen? (10 Tage später erfuhr ich, dass die Rückenmarksnarkose nicht „gesessen“ hatte und zusätzlich eine Vollnarkose nötig war). Die Schwere in meinem Becken war mir unerträglich und ich versuchte durch Bewegen meines Oberkörpers etwas Bewegung in meine untere Körperhälfte zu bekommen. Aus der Ferne hörte ich jemanden (die Schwester, die sich mir vor der OP als „Aufwachraum-Schwester“ vorgestellt hatte?) sagen: „Die ist aber unruhig“. Sie blieb in der Ferne. Meine Vitalwerte waren ja gut überwacht. Sie sah keine Notwendigkeit, sich mir zu nähern und mir in meiner Unruhe beizustehen. Eine „gute Schwester“ hätte mir geholfen, mein Becken ein wenig zu bewegen und eine angenehmere Position zu finden.

Später als ich wieder im Zimmer war kam eine Schwester, um mir die Blutverdünnungs-Spritze zu geben. Diese soll im Winkel von 45° in das subkutane Gewebe verabreicht werden. Sie aber haute die Spritze senkrecht rein und traf den Muskel. Das bemerkte sie aber gar nicht. Das Brennen und der blaue Fleck, der sich gleich abzeichnete, interessierten sie auch nicht. Ebenso keine Rede davon, nachzufragen wie es mir nach dem Eingriff geht.

Am nächsten Morgen konnte ich schon wieder heim gehen. Die Ärztin, die die Visite machte, war kurz angebunden. Über den OP-Verlauf konnte sie mir nichts sagen. Sie war definitiv keine „gute Ärztin“, die wohlwollendes Interesse entgegen bringt und wartet, bis ich Fragen formulieren kann. Z. B. „Wie geht es jetzt weiter? Wie soll/kann/darf ich mein Bein belasten? Was soll ich tun, was lassen?“ Die Schwester, die die Ärztin begleitete, fragte: „Wollen Sie Krücken?“ Ja, soll ich welche wollen? Nein, ich „will“ keine Krücken. Und wenn ich welche wollte oder haben sollte, hätte sie mir den korrekten Gebrauch gezeigt? Soll man sowas von selber wissen? Ich bekam von ihr noch kommentarlos ein Rezept für zehn Blutverdünnungs-Spritzen ausgehändigt. Wissen „NormalbürgerInnen“ über die Bedeutung der Thrombose-Prophylaxe Bescheid? Verstehen sie es, sich selbst die Spritze zu geben? Aber diese Fragen gingen mir erst durch den Kopf, als ich schon daheim war. Die Schmerzen und die Schwellung, die daheim auftraten, wusste ich durch Topfenauflagen zu behandeln. Wissen das andere PatientInnen auch? Wenn sie es nicht wissen, was tun sie, wenn sich die Zeichen der Entzündung, die nach so einem Gelenkseingriff üblich sind, zeigen?

Das Entlassungs-Management war definitiv mangelhaft. Sogar was den/die „virtuelle PatientIn“ betrifft. Und die „Pflege“, die so sehr danach trachtet, sich als eigenständige Berufsgruppe zu qualifizieren, hat sich als Hotel-Service-Personal, und als einfältiges Hilfspersonal der Medizin dargestellt.

Ein Unterschied zwischen meinem Beitrag und dem Artikel des Philosophen: Bei ihm kommt die Pflege erst gar nicht vor. So unbedeutend macht sie sich selbst.

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