Wie konsistent ist „Kultur“?

Heute bearbeitete ich in der Schulung das Thema „Unterstützung bei der Körperpflege“. Hier sind  Waschlappen für die Körperpflege nicht gebräuchlich. Um die alten Leue zu waschen, werden sie mit viel Wasser, das mit beiden Händen aus dem Kübel geschöpft und über den Körper geschüttet wird – der Fließen Boden macht’s möglich – und einem Lappen aus Plastikgewebe, Verschnitte der großen Säcke, in denen Reis, Maniok etc. eingekauft wird, und mit viel Seife geschrubbt. Mit solchen Lappen werden auch Töpfe und Pfannen, Waschbecken etc. geschrubbt. Die Putz-Intensität, die man den alten Leuten angedeihen lässt, ist ähnlich.

Um meine Idee einer etwas sanfteren Reinigungsorgie rüberzubringen, hatte ich viele weiße Socken gekauft, gebraucht natürlich auf dem Straßenmarkt. Zwei Socken um 100 Kongolesische Francs. Zum Vergleich: Waschlappen hatte ich für über 500 Francs gesehen. Ein Tennissocken erfüllt den gleichen Zweck und kostet 1/10.

Ich war also gut vorbereitet und brauchte nur noch ein Modell in Form eines Kursteilnehmers, der bereit ist, seinen Oberkörper frei zu machen für die Erfahrung, in langen klaren und tempomäßig angepassten Strichen bzw. Streichungen den eigenen Körper wahrzunehmen. Da stieß ich aber auf Granit. Alle weigerten sich, als Modell zu fungieren. Mir wurde mit viel Pathos erklärt, die kongolesische Kultur ließe es nicht zu, Haut zu zeigen!

Einig waren sich die Teilnehmenden, ich möge doch einen alten Menschen für die Prozedur holen. Mir blieb der Mund offen stehen vor Unglauben, wie mit diesem angeblichen kulturellen Nogo umgegangen wurde! (Was für mich schlecht ist, kann für dich noch lange gut genug sein!?)

Schließlich gelang es mir, doch noch einen Freiwilligen für die Aktion zu finden. Ich versprach Aristote, einem Volontär in St. Pierre, die Sandalen von Hans, wenn er sich zur Verfügung stellt. Mit Hilfe dieser Bestechung – ich lerne, mit allen Mitteln zu arbeiten –  konnte ich die Lernsequenz recht gut durchführen, und Aristote war schließlich, obwohl er die Sandalen noch nicht erhalten hatte, ganz zufrieden mit der Erfahrung! Es ist ja auch wirklich gut, durch klare Berührung den eigenen Körper wahrzunehmen, zu erleben, wie die einzelnen Körperteile sozusagen nachgeformt werden durch behutsame und geschickte Hände.

Das Witzige kam aber später. Im Anschluss an das Thema Körperpflege zeigte ich verschiedene Einreibungen, z. B. Bauch (Verdauungsbeschwerden), Rücken (Atemstimulierung), Gelenke (Schmerzregulierung). Da war plötzlich die Skepsis vor dem Haut zeigen vergessen. Die Teilnehmenden konnten gar nicht schnell genug ihre Bäuche, Rücken, Knie etc. frei kriegen, um sich gegenseitig die Einreibungen zu geben. Zur Freude trug auch das gute Olivenöl, von mir mit wohlriechenden Aromaessenzen versehen, das ich zur Verfügung stellte, bei. Sie aalten sich so richtig im „Bienêtre“. Sogar die strikte Gleichgeschlechtlichkeit wurde hie und da aufgegeben, Hauptsache soviel Berührung wie möglich bekommen. Schön war das für mich mitzuerleben!

Fazit: Es soll mir nie (mehr) jemand mit der Kulur- oder Mentalitätskeule kommen. alles ist eine Frageder Erfahrung. Siehe: „Aktivitäten und existentielle Erfahrungen des Lebens“.

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Kinaesthetics: Das Gleichgewicht im eigenen Körper regulieren können

Heute war ich mit dem Sozialdienst unterwegs zu behinderten Kindern, die daheim leben. Sehr zu Herzen gehend, was ich alles gesehen habe. Und dann erlebe ich, dass Kinaesthetics, in dem ich Expertin bin, unmittelbar Unglaubliches bewirkt. Mit einfachen Mitteln, „einfach“ in Interaktion über Bewegung und Berührung treten und natürlich von Bewegung was verstehen. Das fehlt. Aber natürlich nicht nur hier. Überall, wo Kinasthetics fremd ist, und wo nicht ausnahmsweise ein Naturtalent in Bezug auf Bewegungsverständnis und Interaktionsbereitschaft am Werk ist, bleiben Potentiale ungenutzt, zum Schaden für Betroffene. Aber es weiß ja niemand, was ihnen entgeht …
Z.B. ist ein 13jähriger Bub, der nur mit Mühe auf allen vieren herumrobben kann, mit mir gegangen! Einfach auf seinen Füßen gestanden und hat mit meiner Hilfe Schritte gemacht, sein Gleichgewicht im Körper in aufrechter Position selber gefunden!

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Umgezogen

Der Umzug ist gut gegangen, auch dank Schwester Hildegard vom Cafe Mozart hier in Kinshasa.
Wenn irgendjemand von euch mal nach Kinshasa kommt, bitte besucht das Cafe Mozart und konsumiert ordentlich. Mit dem was reinkommt wird das Haus für die Straßenkinder erhalten. Und zusätzlich bekommen die Mädels dann nach der Pflichtschulzeit eine Ausbildung als Bäckerin, Konditorin, Serviererin, Friseurin.
Darüber hinaus hilft Sr. Hildegard einfach, wenn jemand Hilfe braucht, z. B. ich mit den Frauen aus Goma für den Umzug heute.
Der Bus, mit das Brot ausgeliedert wird, kam um 10:30 Uhr nach Kabinda, dort wo die Frauen mit ihren 8 Kindern sehr prekär lebten. Zuerst kamen die ganzen Sachen in den Bus rein, dann wurden die 8 Kinder, soweit sie nicht auf den Rücken ihrer Mütter gebunden sind, dazwischen gestopft, und zum Schluss kletterten noch wir Frauen hinein. Es war eine lustige Fahrt durch die Stadt in die Banlieus von Kinshasa. Die Kinder waren ganz aufgeregt, sie hatten von der Stadt bisher kaum was gesehen. Ich als Mundele (Weiße) dazwischen sorgte für Aufsehen bei den dahinter und daneben fahrenden Fahrzeugen.
Das „tres belle maison a trois chambres“ stimmte mich dann doch etwas wehmütig … Ca c`est tres belles?

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Wohnung gefunden!

Hans ist heute Abend abgereist, in zwei Wochen werde ich es ihm gleich tun.

Das intensive Leben geht weiter. Morgen werde ich Linde und Dorcas mit ihren insgesamt acht Kindern beim Umzug in eine eigene Wohnung helfen. Dorcas hatte mir am Telefon voller Freude mitgeteilt, dass sie eine leistbare Wohnung weit draußen in Richtung Flughafen, im Stadtteil Kimbanseke, gefunden hatten. Wobei, ein Umzug im gewohnten Sinn ist das nicht. Das sperrigste, das wir bewältigen müssen, sind die beiden Matratzen, die ich den Frauen besorgt habe. Alles andere befindet sich in Säcken. Mein Dabeisein ist für die Moral, aber auch für die finanzielle Absicherung der Wohnung nötig. Um eine Wohnung beziehen zu können, müssen bis zu zehn Monatsmieten als Garantie angezahlt werden. Dazu kommt noch eine Monatsmiete Gebühr für den Wohnungsvermittler. Für mittellose Menschen ein Ding der Unmöglichkeit, diese Beträge aufzubringen.

Ich freue mich sehr, den Start in das neue Leben begleiten zu dürfen!

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Ausnahmezustand

Ein Ausnahmezustand hatte in Kinshasa geherrscht, als wir entspannt am Atlantik waren. Nachwirkungen desselben konnten wir in der verstärkten Präsenz von Militärs bemerkten.

3. 1. abends, Dorcas ruft an. Ihre Stimme kling alarmiert. Hier ist Krieg! sagt sie, überall ist das Militär. Wir haben Angst ….

Wie immer habe ich Schwierigkeiten, am Telefon gut zu verstehen. Aber die Alarm-Stimmung überträgt sich auf mich. Hans ist bereit, sofort mit mir nach Kabinda zu fahren. Dass es bereits dunkel ist, macht uns/mir schon lange nichts mehr aus. Ich bin in der Dunkelheit genauso unterwegs mit Öffis wie tagsüber, ob allein oder wie jetzt mit Hans, ist (fast) egal.

Beim RTNC (Radio Television National Congo) steigen wir aus dem Taxi und sehen tatsächlich mehrere Jeeps von Militärs, und auch gegenüber im Gelände von Kabinda steht ein Jeep. Als wir uns der Unterkunft der beiden Frauen nähern, läuft uns schon Assunta, die zweitjüngste Tochter von Linde, entgegen, die Buben kommen nach. So zutraulich hab ich die Kinder  bisher noch nie erlebt. Vielleicht bedeutet unser Auftauchen für sie etwas Sicherheit.

Der Unterschied zum Morgen, Linde und Dorcas in neuen Klamotten, zu jetzt, wo sie wieder abgerissen, jeweils das jüngste Kind im Arm oder auf dem Rücken tragend, voller Angst erscheinen, ist frappant. Der Ausstieg aus der schlimmen Wirklichkeit, in der sie sich befinden, die sie sich, bedingt durch die Traumata, die sie schon erlebt haben, wohl auch immer wieder erschaffen, war allzu kurz!

Aufgeregt und ängstlich erzählen sie, dass auch in Goma alles mit der Besetzung des Rundfunkgebäudes begonnen hatte. Immer wieder erwähnen sie das Wort Krieg. Wir gehen zu den Militärs und ich frage, wie es um die Sicherheit bestellt ist und erzähle ihnen von der Angst der  beiden Frauen und ihrer Kinder vor gewalttätigen Unruhen. Für mich erstaunlich einfühlsam geht ein Militärmensch, den die Soldaten aus dem Jeep gerufen haben, auf die Frauen ein. Er lässt sich von ihnen erzählen, hört zu, und erklärt ihnen dann, dass die Situation hier in Kinshasa mit Goma nicht vergleichbar ist. Langsam beruhigen sie sich. Sie versichern aber, dass sie sich entschieden hätten, nicht nach Goma zurück zu wollen, da dort die Unruhen wieder losgegangen seien. Vor allem die Kinder hätten Angst und wollten nicht zurück. Sie möchten sich eine Wohnung in Kinshasa suchen und hier ihr Leben aufbauen.

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Kleider machen Leute

Freitag 3. Jänner 2014 Am Morgen hatte ich mit dem Kurs für Fuß-Reflexzonen-Massage im Café Mozart bei Sr. Hildegard begonnen. Natürlich nicht im Café, sondern in den Schulungsräumen der Don Bosco Schwestern hinter dem Café. Dort ist auch das Heim für die Mädchen, die von der Straße geholt wurden, dort leben auch die Schwestern.

Der Kurs hatte gut gestartet, Sr. Hildegard war zu Beginn dabei. Das fand ich sehr schön. Sie hörte zu, zeigte Interesse, half mit französisch aus.

„Natürlich“ hatten wir nicht pünktlich beginnen können. Der Schulungsraum war versperrt, der Leiter des Schulbetriebs, Papa Christian, der sich für die Schulung  sehr interessiert hatte und teilnehmen wollte, hatte einfach vergessen … auch vergessen, die jungen Frauen, die teilnehmen sollten, zu informieren.

Aber die „Initiativgruppe“, Solange, Patrick, Esther und Nicole, und Linde und Dorcas waren da! Linde und Dorcas, die kriegsflüchtigen Frauen aus Goma, waren nicht wieder zu erkennen. Wenn ich sie in Kabinda sehe, hängen die Kinder an ihnen, sie sind nicht viel besser als in Fetzen gekleidet. Die Sorgen sind ihnen ins Gesicht geschrieben. Mit dem Geld, das Hans und ich ihnen gegeben hatten, hatten sie sich was zum Anziehen gekauft. Sie strahlten, waren einfach zwei schöne junge Frauen, die Freude hatten an dem was sie tun. Berührend!

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Verbrennen und krumm und klein schlagen

Auf dem Heimweg von Muanda sahen wir bei der Fahrt  nachhause auf dem Boulevard mehrere Feuer. Mitten in der Stadt offenes Feuer? Was ist das? Naja, die Polizei ist wieder einmal eingeschritten, um kleine Händler und Dienstleister zu vertreiben. Das tun sie, indem sie alles krumm und klein schlagen, indem sie Bücher, Hefte, Schriften etc. in die Pfützen werden, oder indem sie eben Feuer machen und alles verbrennen. Bis jetzt wurde ich nie Zeugin eines aktuellen Angriffs, immer nur sah ich die Spuren der Verwüstung, wenn sie bereits passiert war. Aber das ist alles nutzlos. Einmal kam ich bei einer verwüsteten Stelle vorbei, wo offensichtlich Babierdienst geleistet wird. Kaputtes Plastik von den Stühlen lag rum, ein kaputter Schirm, unter dem das Geschäft stattfindet. Aber schon saß wieder ein Klient auf einem wackeligen, der Zerstörung knapp entgangenen Stuhl, der Barbier ließ ihn in einer Spiegelscherbe sein Antlitz betrachten, und die Arbeit wurde fortgesetzt. Was sollten die Menschen auch anderes tun? Jobs mit Anstellung gibt es überaus wenige. Irgendwie müssen die Menschen durchkommen. Die Leidensfähigkeit ist notgedrungen groß.

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Heim kommen und alles schön finden

2. 1. 2014 Bei der Fahrt vom innerstädtischen Flughafen, als wir nach den Tagen im Bascongo wieder heimfuhren, fand ich Downtown Kinshasa plötzlich richtig schön und gepflegt. Mir war eben schon alles etwas vertraut geworden, ich kannte mich aus, kehrte „heim“, und das löste wohl dieses Gefühl, hier sei es schön, aus. Als ich das erste Mal auf den Boulevard, also in das Herz der Stadt, Downdown, kam, fand ich alles so mickrig. Das sollte das Zentrum einer riesigen, bedeutenden Stadt im Herzen Afrikas sein?

Welche Unterschiede/durch unterschiedliche Erfahrungen bedingt, doch in der Wahrnehmung ein und desselben liegen können!

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Über die Jahreswende im Bascongo

Vom 28. 12. bis 2. 1. 2014 machen Hans und ich eine Reise in den Bascongo, ganz selbständig mit öffentlichen Verkehrsmitteln und lokalen Taxis. Zuerst zum Botanischen Garten Kisantu, dann weiter nach Boma, wo sich der Entdecker und Afrikaforscher Stanley aufhielt, und in einem Schnellboot auf dem Kongo-Fluss von Boma nach Moanda zur Mündung am Atlantik. Wenn auch mit Herausforderungen verbunden, war es eine Traum-Reise.

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Weihnachten in Bildern

23. 12. Heute bei einer Mitfahrgelegenheit von der Caritas Kinshasa zur Hauptstraße in einem Lastwagen, auf dem neben „Caritas Kinshasa“ auch „Caritas Autriche“ stand (ich fühlte mich gleich wie zuhause) sagte mir der Fahrer, dass man hier die Heilige Nacht bis zum Morgen tanzend in der Kirche verbringt. Mal sehen. Kommt auch drauf an, was Hans sagt zum Durchtanzen. Und ob ich mit den Krücken so gut tanzen kann …

24.12. Die Christmette wird hier schon gegen 21:00 Uhr gefeiert. Und es wird getanzt, aber je höher in der Hierarchie die Feiernden sind, umso mehr stehen sie still. Das heißt die Ministranten tanzen, und auch Novizen und Novizinnen, aber nicht die Priester, oder nur ganz andeutungsweise. Die MessbesucherInnen singen, klatschen und schwingen mit den Hüften. Nach der Mette, zu der wir uns mit Krystyna, meiner polnischen Freundin, verabredet haben, gehen wir noch auf ein Getränk in ein Lokal auf dem Boulevard, und danach schauen wir uns die „Weihnachtsbeleuchtung“ an. Wir sind guter Stimmung.

25. 12. Wir sind im Hospice St. Pierre um 9:00 Uhr zur Messe eingeladen, welche Abbé B., der Direktor der Caritas Kinshasa hält. Es ist eine Messe hauptsächlich in Lingala. Das bedeutet, dass Lieder mit vielen Refrains gesungen werden und die Stimmung insgesamt locker und beschwingt ist. Nach dem Gottesdienst, der im Freien stattfindet und an dem alle HeimbewohnerInnen, das gesamte Personal und auch viele Gäste von auswärts teilnehmen, gibt es ein gemeinsames Festessen. Hans ist Stargast. Es hat sich heruumgesprochen, dass er viele notwendige Dinge mitgebracht hat, wie z.B. Gürtel und Hosenträger, damit die alten Männer die meistens nicht passenden Hosen nichtverlieren, aber auch Brillen, Nagelzangen etc.  Dafür und dass überhaupt ein Mann aus Europa kommt, wird ihm viel Ehre zuteil. Und ich darf mich kurz im Schatten seiner Ehre sonnen. Wenn mich mein Mann besucht, dann muss doch auch an mir was Lobwürdiges dran sein ;-).

Als Hans abgereist ist, ist es mit diesen Brosamen von Ehre und Interesse, die für mich als Frau abfallen auch schon wieder vorbei. Aber das weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

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