Als neue Delegierte des Bezirks Freistadt konnte ich am 29. und 30. 11. am BUKO der Grünen erstmals teilnehmen. Die Stimmung war ausgezeichnet, bedingt durch die Wahlerfolge in Serie, mit den Regierungsbeteiligungen in Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg.
Ich bin froh und dankbar für diese Gelegenheit zur politischen Weiterbildung auf hohem Niveau und in großer Vielfalt. Froh bin ich auch, dass ich die SpitzenkandidatInnen und viele MandatarInnen aus ganz Österreich und auch der EU erleben und teilweise kennenlernen durfte. Durch diese fachkundigen, engagierten und offenen Menschen bekommt für mich Grüne Politik ein zunehmend persönliches Gesicht, und die qualifizierten Beiträge erweitern meinen Horizont.
Worin und wie zeigt sich Grüne Politik?
1. Leitanträge
Der erste Antrag „Selbstbestimmt und Solidarisch in einer Welt im Wandel“ weist mit Respekt auf die sozialen Standards hin, die in der Mitte des vorigen Jahrhunderts errungen worden waren. Allerdings werden diese Standards den neuen Lebensrealitäten mit einem Arbeitsleben voller Brüche, mit einer neuen gesellschaftlichen Vielfalt nicht mehr gerecht. Den Leitantrag stellten am Samstag Judith Schwentner und David Ellensohn, die ihn federführend verfasst hatten, anschaulich vor.
Eckpfeiler einer Grünen Sozialpolitik sind unter anderem:
- Ein einheitliches Pensionssystem, das aus einer steuerfinanzierten und existenzsichernden Grundpension von ca. € 850,00 und aus einer Versicherungspension besteht. Beide Pensionsteile zusammen sind in der Höhe gedeckelt.
- Ein gesetzlicher Mindestlohn von € 8,50 pro Stunde
- Wohnraum ist ein menschliches Grundbedürfnis. Deshalb braucht es ein neues Mietrecht, das die Grundlage für leistbares Wohnen für alle schafft.
- Leistbare Mobilität, wie z.B. das Wiener Jahresticket von € 365,00
- Gelebte Inklusion, die sich in Integrationsangeboten vom ersten Tag an (siehe auch AsylwerberInnen!) zeigt.
- Ein faires Bildungssystem, bei dem Bildung im Kindergarten (Elementarpädagogik!) beginnt und bis zum Ende der gesetzlichen Schulpflicht gemeinsam mit allen Kindern gestaltet wird.
Solidarische Politik ist eine Querschnittmaterie, die in viele andere Politikbereiche greift. Sie setzt auf systemische Lösungen, auf ökosoziale Komponenten wie Umwelt- und Klimaschutz, auf eine nachhaltige Energieversorgung und auf eine Wirtschaft, welche den Bedürfnissen der Menschen und der Regionen entspricht. Die Grünen wollen sie gemeinsam mit einer Europäischen Union, die sich zunehmend zu einer Sozialunion entwickelt, verwirklichen.
Werner Kogler und die drei Abgeordneten zum Europaparlament Ulrike Lunacek, Michel Reimon und Monika Vana stellen den Leitantrag „Für einen fairen und vernünftigen Handel“ vor.
Vor der Abstimmung erklärt Finanzsprecher Werner Kogler, warum der Resolutionsantrag so wichtig ist. Leider ist es wieder einmal so, dass die Bundesregierung in der Causa TTIP zwar verbal dagegen auftritt, in den Verhandlungen zu TTIP in den europäischen Gremien aber nichts davon zu hören ist. Im Gegenteil – dort begrüßen sie TTIP sogar.
Die berüchtigten Handelsverträge TTIP, die kanadische Version CETA und die Dienstleistungs-Vereinbarung TiSA stellen nur die Spitze eines Eisbergs von bereits abgeschlossenen Investitionsschutz-Abkommen zugunsten von Konzern-Interessen dar. Auch Österreich ist an solchen unfairen Abkommen im Handel mit Ländern des Südens beteiligt.
Diese „Freihandelsabkommen“ untergraben demokratische Strukturen und zivilgesellschaftliche Mitbestimmung. Sie gefährden die Absicherung zentraler Lebensbedürfnisse, wie zum Beispiel ökologische, soziale und biologische Standards in Lebensmitteln, und bei Dienstleistungen im Sozial- und Gesundheitsbereich.
Wir Grüne wollen einen fairen Handel, zivilgesellschaftliche Mitbestimmung, hohe Standards und Transparenz und nicht Privilegien für Lobbyinteressen von Konzernen!
Auch den letzten Antrag „Wir stärken Frauen in der Politik“, den Eva Glawischnig und Berivan Aslan vorstellen, nehmen die Stimmberechtigten mit Begeisterung auf und – mit einer Gegenstimme – an.
Kurz und bündig, soll ein Bonus-Malus-System zur Stärkung von Frauen in der Politik beitragen. Jene Parteien, deren Frauenanteil im Nationalrat unter 50% liegt, sollen im Rahmen der Parteien-, Klub- und Parteiakademiefinanzierung spürbare finanzielle Abschläge erhalten.
2. Über den Tellerrand schauen
Grüne Politik zeigt sich auch in der Bereitschaft, von Menschen in den Kriegsgebieten des Nahen und Mittleren Osten zu hören. Eine Gruppe von Kurdinnen und Kurden brachte uns die verzweifelte Lage der dort lebenden Menschen nahe und bedankte sich für Hilfe und Solidarität der Grünen.
3. Haupt-Rednerinnen
Ganz besonders repräsentierten die vier Haupt-Rednerinnen am Kongress Grüne Politik.
Den Anfang machte am Samstag Maria Vassilakou, Wiener Vizebürgermeisterin und Verkehrs-Stadträtin, gefolgt von Ulrike Lunacek, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, und am Sonntag die Parteivorsitzende Eva Glawischnig und zum Abschluss Ska Keller, die Spitzenkandidatin der Europäischen Grünen.
Jede Rednerin war in ihrem Charisma und ihrer Kompetenz, ihrer Fähigkeit, die Zuhörenden an ihren Erfahrungen und Expertisen teilhaben zu lassen, einzigartig.
Maria Vassilakou wies auf die vorher utopisch erschienenen, in harter Regierungsarbeit erfolgreich umgesetzten Vorhaben der Wiener Grünen hin, wie z.B. die Fußgängerzone in der Mariahilfer Straße, das Öffi-Jahres-Ticket. Ihre Hauptaussage ist: Wien soll zur Grünen Hauptstadt Europas werden.
Ulrike Lunacek bedankte sich nochmals für die Unterstützung bei den EU-Wahlen im Mai. Sie erklärte die Themenbereiche, an denen sie selbst, Michel Reimon und Monika Vana arbeiten, und skizzierte ein Europa, das zur Sozialunion werden kann und werden muss.
Eva Glawischnig erzählte am Sonntag, wie sie als Jugendliche vom scheinbar unaufhaltbaren Erfolg der FPÖ beeindruckt und auch geängstigt war. Die FPÖ ist zutiefst diskreditiert und in keiner einzigen Landesregierung mehr vertreten. Nun sind es die Grünen, die von einem Wahlerfolg mit Regierungsbeteiligung zum nächsten gehen!
Ska Keller wies in ihrer Rede darauf hin, dass Handel nicht nur dem wirtschaftlichen, sondern auch dem kulturellen Austausch und dem Wissenstransfer ermöglichen kann. So ein Handel dient den Menschen, den Kommunen und den Regionen. Aber ein Handel, welcher der Gewinnmaximierung alle ethischen, menschenrechtlichen und ökologischen Standards opfert, gefährdet unser aller Zukunft auf dem Planeten Erde.
Abschließendes Resümee
Ich komme persönlich und inhaltlich gestärkt heim. Die vielen Impulse und Inhalte werden mir in der Aufarbeitung und im Einarbeiten in mein politisches und persönliches Engagement noch lange Kraft und „Nahrung“ geben.
Trotz des dichten Programms war der Ablauf ruhig und entspannt. Das Zeitmanagement durch das jeweilige Präsidium war exzellent. Streng manchmal, aber immer humorvoll.
Bei der Einladung am Samstagabend ins Badeschiff konnte ich nur beanstanden, dass die Tanzfläche für uns begeisterte Tänzerinnen – auch einige Tänzer wagten sich dazwischen – größer hätte sein können. Das Schiff bot nochmal eine phantastische Zeit für Austausch und persönliche Gespräche.