Fünf Frauen, ein Mann. Alle haben schon mal getrommelt. Wir sind also im Fortgeschrittenen-Kurs. Unser Lehrer Markus Lindner ist ein renommierter Musiker, Percussionist und Dirigent, und vor allem ein phantastischer Pädagoge.
Der Einstieg geht über den Körper. Markus versteht es, uns zum Wahrnehmen des Pulses hinzuführen. Dann machen wir die ersten Töne auf der Trommel. Fingerdibs. Ton. Bass. Und diese aneinander reihen in einem bestimmten Rhythmus. Unser Können oder Nicht-Können darf sein. Den Rhythmus verlieren, und bevor noch Stress aufkommt, ihn wieder finden. Immer wieder Lob und Ermutigung. Markus spielt uns Rhythmen vor, wir spielen sie nach. Da geht es um das Hinhören, und um das Wahrnehmen und bedingungslose Übernehmen des Rhythmus mit dem ganzen Körper. Das Trommeln als Ganzkörper-Aktivität, aber mit Aufmerksamkeit. Wenn meine Gedanken mal abschweifen, gerate ich sofort ins Stolpern.
Langsam versuchen wir uns an längeren rhythmischen Phrasen, und spielen diese im Kanon. Ich bin auf meine Kleingruppe – zuerst zu dritt und dann zu zweit – angewiesen. Wenn die eine Person aussteigt, orientiert sie sich an der anderen, und umgekehrt. Ich merke, dass das Lernen mit Anderen hilfreich ist. Und natürlich macht es Freude. Diese ist uns anzusehen.
Markus gibt uns Anweisungen, wie wir die einzelnen Schläge ausführen sollen. Bei den Fingerdips bleiben die Fingerkuppen kurz auf dem Fell der Trommel „kleben“. Beim Bass fällt die ganze Hand in die Mitte der Trommel und federt sogleich wieder zurück. Beim Ton am Trommelrand sollen die Finger gesschlossen und leicht gespannt sein.
„War das jetzt richtig?“ ist eine häufig gestellte Frage. Markus` Antwort: „Grundsätzlich ist gar nichts falsch. Es kommt nur drauf an, was jemand will“. Sind beispielsweise die Finger beim Schlagen des Tons locker, dann entsteht ein höherer Sound, der sich dann vom Slap, welcher der höchste Sound ist, der mit der Trommel erzeugt wird, nicht genügend abhebt.
Überhaupt, der Slap. Er gelingt den so weit Fortgeschrittenen, wie wir sie sind, selten. Der Slap will entspannte Finger, das Handgelenk entspannt und in der genau passenden Beugung, und dann ein leichter und lockerer Schlag auf den Trommelrand, die Hand zurück federnd. Ehrlich gesagt, mache ich meist einen Slap, indem ich kurz und heftig drauf haue. Aber abgesehen davon, dass der Sound dabei nicht wirklich schön kommt, braucht das zu viel Kraft, und längeres Spielen ist so nicht möglich.
Ich akzeptiere: Den Slap kann ich nicht einfach „können wollen“. Er verweigert sich erhöhter Spannung und Anstrengung.
Während des gemeinsamen Spiels gibt Markus immer wieder Kommentare, z.B. „Nicht zu sehr mit den Fingern zum Trommelrand kommen!“. Hat er mich gemeint? Soll ich ihn fragen, ob es bei mir passt? Aber nein. Er hat uns einen Hinweis zur Selbstkontrolle unseres Spiels gegeben. So kann ich die Verantwortung für mein eigenes Lernen besser übernehmen.
Dort liegt der wirklich wichtige Punkt für das Lernen. Der gute Lehrer, die gute Lehrerin ist auf einer sehr tiefen Ebene Experte/Expertin ihres Fachs. Sie oder er ist nicht nur in der Lage, den Lernenden etwas Bestimmtes und Abgegrenztes beizubringen, sondern ihnen eine neue Welt zu eröffnen. In dieser Erfahrungswelt können die Lernenden dann ihre eigenen Schritte tun, so weit wie sie gehen können und wollen.